Vorschriften für Rufanlagen
Die Bezeichnung Rufanlage stammt vor allem aus der deutschen Norm DIN VDE 0834. Sie wird hier seit dem Jahr 2000 verwendet. Verwenden Sie die veralteten Bezeichnungen Schwesternrufanlage, Lichtrufanlage wie auch Klingelanlage nicht mehr. Auch wenn vielleicht hierdurch eine höhere Verständlichkeit gegeben ist. Rufanlagen sind Systeme der Sicherheitstechnik. Denn mit ihrer Hilfe werden Personen herbeigerufen oder gesucht. Im Extremfall geht es sogar um Leben und Tod. Beachten Sie deshalb bitte immer die DIN VDE Vorschriften für Rufanlagen in Krankenhaus und Pflegeheim.
Wann muss eine Rufanlage den DIN VDE 0834 Vorschriften entsprechen?
Immer dann, wenn die rufende Person in eine mehr oder minder gefährliche Situation kommen könnten, wenn Rufe nicht signalisiert werden. Oder andererseits Störungen nicht unmittelbar erkannt werden. Typischerweise befindet sich eine hilfeleistende Person vor Ort in der Einrichtung.
Rufanlagen nach DIN VDE werden deshalb eingesetzt in:
- Krankenhäusern
- Pflegeheimen bzw. Pflegestationen
- Alten- und Seniorenwohnheimen
- Reha-Einrichtungen
- öffentlich zugängliche WCs des barrierefreien Bauens
- psychiatrischen bzw. forensischen Einrichtungen
- Justizvollzugsanstalten inkl. sonstiger Hafträume
- sowie in allen vergleichbaren Einrichtungen.
Praxisrelevante Vorschriften und Normen für Rufanlagen
- →Heimmindestbauverordnung
- →Bauordnung der Bundesländer
- →Baugenehmigung der Einrichtung
- →DIN 18040 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude
- →DIN VDE 0834 Teil 1, Rufanlagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen. Ausgabe Juni 2016
Die Norm für Rufanlagen, DIN VDE 0834, kann kurzum als →“allgemein anerkannte Regel der Technik“ angesehen werden. Sie dient somit auch als Grundlage für juristische Bewertungen. Beachten Sie deshalb bitte immer die entsprechende Vorschrift für Ihr System.
Krankenhäuser mit mehr als 30.000 Vollstationären Fallzahlen/Jahr zählen nach der →BSI-KritisV zur kritischen Infrastruktur. Die Betreiber dieser Einrichtungen müssen gemäß →§ 8a Absatz 3 BSIG u.a. nachweisen, dass die IT-Sicherheit seiner Informationstechnik dem →“Stand der Technik“ entspricht. Zur Informationstechnik zählt auch die Kommunikationstechnik und somit auch alle Rufanlagen.
Nach →§ 75c SGB V sind alle Krankenhäuser seit dem 1. Januar 2022 verpflichtet, ihre informationstechnischen Systeme spätestens alle zwei Jahre an den aktuellen „Stand der Technik“ anzupassen.
Das →BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) hat hierzu einen →Leitfaden zum „Schutz Kritischer Infrastrukturen: Risikoanalyse Krankenhaus-IT“ herausgegeben.
Vorschriften zur Instandhaltung von Rufanlagen
Die Bezeichnung Instandhaltung ist ein Oberbegriff und beinhaltet folgende Bereiche:
- Wartung
Maßnahmen zum Erhalt der Rufanlagen
Mindestens 1x jährlich durch →eine Fachkraft für Rufanlagen - Inspektion
Erkennen und Dokumentieren der Differenz zwischen Soll- und Ist-Zustand
4x jährlich durch eine „Fachkraft für Rufanlagen“ - Instandsetzung
Reparieren
Unmittelbar nach dem Feststellen von Abweichungen durch eine „Fachkraft für Rufanlagen“ - Verbesserungen
Technische und administrative Maßnahmen zur Steigerung der Funktionssicherheit
Eingewiesene Person oder Fachkraft
Jeder Betreiber ist für den ordnungsgemäßen Betrieb seiner Rufanlagen alleine verantwortlich. Rufanlagen fallen nicht unter die →Betriebssicherheitsverordnung. Weil diese nicht als Arbeitsmittel eingestuft werden. Ebenso werden diese nicht als →überwachungsbedürftige Anlagen betrachtet. Kurzum, keine Aufsichtsbehörde ist für eine strukturierte Überprüfung von Rufanlagen im Betrieb zuständig. Somit kann der Betreiber machen was er will. Möglicherweise führt er auch einfach keine Instandhaltung durch! Das wird sich jedoch früher oder später nachteilig auswirken. Nämlich dann, wenn anlassbezogen eine juristische Überprüfung durchgeführt wird. Jetzt muss der Betreiber sein ordnungsgemäßes Handeln nachweisen. Ähnlich einer →Beweislastumkehr. Gefragt sind jetzt das Betriebsbuch, Nachweise der durchgeführten Instandhaltungen und die Nachweise der Qualifikation Ihrer Mitarbeiter. Auch das (Pflege-)Personal muss nachweislich geschult sein.
Bitte nehmen Sie als Verantwortlicher die Vorschriften für Rufanlagen nicht auf die leichte Schulter. Denn im Ereignisfall besteht außerdem das Risiko einer →persönlichen Haftung.
Vorschriften zum Bestandsschutz von Rufanlagen?
Gibt es für Rufanlagen einen Bestandsschutz? Kann ich eine solche Rufanlage „ewig“ weiter betreiben?
Genau mit dieser Frage beschäftigt sich mein YouTube-Video „Bestandsschutz für Rufanlagen?“.
Schauen Sie sich die Antwort auf YouTube an https://youtu.be/2LKE5-QRJNM
Medizinische Elektrische Geräten (ME-Geräte) mit Rufanlagen zusammenschalten
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit ME-Geräte mit einer Rufanlage als nicht Medizinprodukt funktional zu verbinden. In der Regel entsteht dann ein neues Medizinisches System. Wenn für diese Zusammenschaltung keine ausgewiesene Zweckbestimmung seitens den ME-Gerätes besteht, handelt es sich um eine Eigenherstellung eines ME-Systems mit all seinen Konsequenzen.
Bei allen Zusammenschaltungen sind folgende Regularien zu beachten:
Personen-Hilferufanlagen und deren Vorschriften
Neben Rufanlagen gibt es weiter auch „Personen-Hilferufanlagen“. Diese Anlagen haben zwei Anwendungsbereiche. Erstens für hilfebedürftige Personen die zu Hause leben. Zweitens für ältere Menschen in der Wohnform „Betreutes Wohnen“. Umgangssprachlich wird aber auch die Bezeichnung „Hausnotruf“ verwendet. Diese Systeme werden nicht in Heimen eingesetzt.
Normen für Personen-Hilferufanlagen
- Die europäische Norm DIN EN 50134 beschreibt Personen-Hilferufanlagen. Die verschiedenen Teile beschreiben dabei →Systemanforderungen, →Auslösegeräte, →Zentralen und →Verbindungen. In Teil 7 dieser Norm werden zudem Anwendungsregeln beschrieben.
- Die →DIN 77800 beschreibt Qualitätsanforderungen an Anbieter der Wohnform „Betreutes Wohnen für ältere Menschen“.
Personen-Hilferufanlagen übermitteln die Rufe an eine entfernte Zentrale. Diese Zentrale ist ständig besetzt. Aus diesem Grund muss kein Personal vor Ort sein.
Mit jeder Rufauslösung wird automatisch auch eine Sprechverbindung aufgebaut. Die rufende Person kann sich dann direkt mit der Zentrale unterhalten. An der Zentrale sind zusätzlich personenbezogene Informationen hinterlegt. Ähnlich einem Alarmplan. Nach diesem festgelegten Ablauf, wird die notwendige Hilfe jetzt organisiert. Alle Aktivitäten protokolliert das System zusätzlich. Eine Aufzeichnung der Sprache ist jedoch nicht vorgesehen.
(Not-) Rufanlagen in öffentlich zugänglichen WCs für Menschen mit besonderen Anforderungen (DIN VDE 0834)
In den Vorschriften für das barrierefreie Bauen wird allerdings die Bezeichnung „Notrufanlage“ verwendet. Diese „Notrufanlagen“ müssen in öffentlich zugänglichen WCs für Menschen mit besonderen Anforderungen installiert sein. Beispielsweise also auch in Rathäusern, Schulen, Theatern und Schwimmbädern. Weitere Informationen hierzu auch bei →Nullbarriere.
Norm für barrierefreies Bauen
Diese Bau-Norm fordert, dass in Sanitärräumen in der Nähe des WC-Beckens eine Notrufanlage angebracht sein muss. Auch muss eine eindeutige Kennzeichnung für blinde Menschen gegeben sein. Diese muss visuell kontrastierend gestaltet, taktil erfassbar und auffindbar sein. Der Notruf muss vom WC-Becken aus sitzend und vom Boden aus liegend ausgelöst werden können. Einen technischen Mindeststandard an die Sicherheit beschreibt diese Bau-Norm weiter nicht.
Aus diesem Grund beschreibt die DIN VDE 0834-1 auch (Not-) Rufanlagen in öffentlich zugänglichen WCs für Menschen mit besonderen Anforderungen. Und das seit Juni 2016.
Zusammenfassend stellen wir fest:
Die Notwendigkeit dieser (Not-)Rufanlagen ergibt sich aus der Bau-Norm DIN 18040-1. Deren Anwendung gründet sich u.a. im →AGG. Die Mindestanforderungen an die Sicherheit werden in der DIN VDE 0834-1 beschrieben. Die Installation und die Instandhaltung erfolgt durch eine „Fachkraft für Rufanlagen“. Die Vorschriften für Rufanlagen, hier die DIN VDE 0834, sind zwingend einzuhalten.
Aber Vorsicht:
Viele preiswerte WC-Sets entsprechen NICHT den erforderlichen Normen. Verlassen Sie sich nicht nur auf die Werbeversprechen der Anbieter. Seien Sie bitte vorsichtig. Es geht mitunter um die Gesundheit von Menschen. Aber auch um Ihr persönliches Haftungsrisiko. Im Zweifel wenden Sie sich bitte an →einen Fachplaner für Rufanlagen.
Vorschriften weiterer Rufsysteme
Personen-Notsignal-Anlagen (PNA) werden in speziellen Gefährdungsumgebungen und -situationen eingesetzt. Sie dienen dem Schutz alleinarbeitenden Personen. Diese Systeme können willensabhängige und willensunabhängige Alarme auslösen. Details hierzu beschreiben die Vornorm →VDE 0825-1. Aber auch die →DGUV Regel 112-139. Fern-Notruf für Personen- und Lastenaufzüge. In Aufzugskabinen werden Fern-Notruf Systeme eingesetzt. Details hierzu beschreibt die Norm Entwurf →EN 81-28 aus dem Jahr 2020. Diese zuvor genannten Rufsysteme fallen nicht in das Fachgebiet des Sachverständigen Frank Kohl. Sie suchen Sachverständige anderer Sachgebiete? Hier im bundesweiten →Sachverständigen-Verzeichnis der IHK werden Sie fündig.Normen und Vorschriften
Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 1998 bestätigt: DIN-Normen sind keine Rechtsnormen. Es sind private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Im Ereignisfall lassen Juristen prüfen, ob kurzum die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ eingehalten wurden. Bei Planung, Errichtung und auch beim Betrieb von Rufanlagen. Diese Prüfung führt ein entsprechender Sachverständiger für Rufanlagen durch. Meist, aber nicht immer, sind das die DIN Normen. Wichtig ist, die Regeln müssen allgemein anerkannt sein. Aber bei Rufanlagen können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen. Beachten Sie deshalb bitte die entsprechenden Normen für Rufanlagen. Auch wenn deren Einhaltung behördlich nicht überwacht werden. Denn im Ereignisfall ist der Betreiber nachweispflichtig.
Vorschriften zur Leitungsverlegung
Immer schneller, immer billiger und dadurch immer schlechter! So ist derzeit oft die Situation der Leitungsverlegung zu bewerten. Bei der Leitungsverlegung sind grundsätzlich diese drei Schutzziele zu beachten:- Baulicher Brandschutz
- Elektrische Sicherheit
- Elektromagnetische Verträglichkeit →EMV
Baulicher Brandschutz
Grundlage des baulichen Brandschutzes für Leitungsanlagen ist die →Muster LAR. Jedes Bundesland hat demgemäß eine eigene Leitungsanlagen-Richtlinie LAR. Diese bauordnungsrechtliche Richtlinien haben schließlich auch für die Verkabelung von Rufanlagen Gültigkeit. Einfach mal so ein paar Kabel durch die Zwischendecke ziehen ist keine gute Idee. Insbesondere in Fluren. Lassen Sie sich hier besser durch einen Elektroplaner unterstützen.
Elektrische Sicherheit
Installationskabel von Fernmeldeanlagen müssen der →DIN VDE 0815 entsprechen. Diese Installationskabel werden auch häufig bei der Errichtung von Rufanlagen verwendet. Verlegen Sie diese Kabel nicht ohne Trennabstand gemeinsam mit Leitungen der Niederspannungsanlage. Ausnahme, jedes Kabel bzw. jede Leitung ist entsprechend der höchsten vorkommenden Spannung isoliert. Die Trennabstände werden in der →DIN VDE 0100 Teil 520 beschrieben. Rufanlagen werden mit einer →Schutzkleinspannung SELV bzw. PELV betrieben. Darum beachten Sie bitte auch die →DIN VDE 0100-410. Rufanlagen und deren Leitungen in der →Patientenumgebung benötigen eine Elektrische Sicherheit nach →DIN EN 60601-1. Leitungen der Rufanlage, die das Gebäude verlassen, sind an der Austrittsstelle mit einem Überspannungsschutz nach →DIN EN 50468 zu versehen. etc. Und vor der in Betriebsnahme ist eine Erstprüfung nach DIN VDE 0100 Teil 600 durchzuführen.
Elektromagnetische Verträglichkeit EMV
bezeichnet die Fähigkeit, andere Geräte nicht durch ungewollte elektrische oder elektromagnetische Effekte zu stören oder durch andere Geräte gestört zu werden. Die Norm →DIN VDE 0834-2 beschreibt hierzu Details. Bezüglich der elektromagnetischen Verträglichkeit müssen die Leitungen der Rufanlage und der Niederspannungsanlage, ohne elektromagnetische Barriere, mit einem entsprechendem Trennabstand zueinander verlegt werden. Die Trennabstände werden in der →DIN EN 50174 beschrieben.
In der Praxis haben EMV-Störungen häufig ihren Ursprung in der Niederspannungsanlage. Z.B. bei →verpennten Installationen. Über diese →Typische EMV-Einflüsse hat mein Kollege Hans-Joachim Otto einen Artikel geschrieben.